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- | Projekt Nr. 256 | Sweet Dreams, Landscape Number One, 2004 |  Foto: © Herzog & de Meuron -
Projekt Nr. 256
Sweet Dreams, Landscape Number One, 2004
Foto: © Herzog & de Meuron Herzog & de Meuron |  Gesamtinstallation, 2004  | Courtesy: STAMPA Basel |  Foto: Serge Hasenböhler Herzog & de Meuron
Gesamtinstallation, 2004
Courtesy: STAMPA Basel
Foto: Serge Hasenböhler Villiger, Hannah | Installationsfoto | STAMPA Basel, 2004 |  Foto: Serge Hasenböhler Villiger, Hannah
Installationsfoto
STAMPA Basel, 2004
Foto: Serge Hasenböhler Keiser, Daniela | Aus heiterem Himmel (III), 1998-2004 | Raumvariable Bodeninstallation |   3 Halogenstrahler, Klebestreifen, Gläser, Diapositive,   | Zuckerstücke, Medikamentenmuster, Geldstücke |  Courtesy: STAMPA Basel |  Foto: Serge Hasenböhler Keiser, Daniela
Aus heiterem Himmel (III), 1998-2004
Raumvariable Bodeninstallation
3 Halogenstrahler, Klebestreifen, Gläser, Diapositive,
Zuckerstücke, Medikamentenmuster, Geldstücke
Courtesy: STAMPA Basel
Foto: Serge Hasenböhler
HERZOG & DE MEURON
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DANIELA KEISER
ZILLA LEUTENEGGER
MATT MULLICAN
HANNAH VILLIGER
8. Juni 2004 – 21. August 2004

Im Zentrum der aktuellen Ausstellung der Galerie STAMPA steht ein Projekt von Herzog & de Meuron.
Im Kontext mit dieser Arbeit präsentiert STAMPA vier künstlerische Positionen, die sich in unterschiedlichen Verfahrensweisen mit der Thematik von Raum auseinandersetzen.
Die grossformatigen Fotografien von Hannah Villiger erkunden sublim die Verortung des Blicks im Raum. Dabei geht sie unter anderem der Frage nach, welche Elemente der Empfindung den Raum definieren. Sowohl Zeitlichkeit als auch Körperlichkeit sind diesen Werken eigen.
Wenn die kleine Figur im Zeichnungsvideo Peak von Zilla Leutenegger an der Laterne herumturnt, lotet sie den abstrakten Raum der Zeichnung aus. Die spezifischen Möglichkeiten des Zeichenvideos tragen zu einer Art der Raumerkundung bei, die diesem Medium vorbehalten ist.
Matt Mullican dagegen erkundet in Psycho Architecture die vermeintlichen Grenzen zwischen fingiertem und realem Raumempfinden, indem er in hypnotisiertem Zustand Videoaufnahmen macht und so eine Wahrnehmung visualisiert, die sich in einer anderen Sphäre des Bewusstseins bewegt.
Die Installation Aus heiterem Himmel (III) von Daniela Keiser - aus Gläsern, Klebestreifen, Zuckerwürfeln, Medikamenten und Geldstücken - scheint einer ungeschriebenen Ordnung folgend das Zufällige und Kalkulierte dessen zu erkunden, was organische, poetische oder städtische Strukturen definiert. Peripheres erweist sich als geballtes Zentrum, organisch Gewachsenes als ständig sich nach ungeschriebenen Gesetzen verändernde Landschaft, die sich durch Licht, Schatten und Klang in ständiger potenzieller Bewegung befindet.

STAMPA Basel

Herzog & de Meuron in der Galerie Stampa

Zwischen 1979 und 1986 hat Jacques Herzog zunächst als Künstler viermal in der Galerie Stampa ausgestellt. Nun werden erstmals Modelle, Arbeitsmaterialen und Überbleibsel aus dem Entwurfsprozess des Architekturbüros Herzog & de Meuron als Installation in einer Galerie präsentiert. Auf einem riesigen Tisch auf Brusthöhe sind - einer idealen Landschaft oder einem utopischen Stadtmodell vergleichbar - ganz verschiedenartige Materialien ausgelegt. Die Auslegeordnung bleibt dabei verborgen. Einzig die Farbkomposition und Materialität der Objekte und Proben scheint einer gewissen Gliederung zu gehorchen.

Die Präsentationsform auf Tischen war schon im Centre Pompidou 1996 Thema, und auch in der derzeitigen Ausstellung im Schaulager sind Tische wie Marktstände platziert. Im Unterschied dazu drängt die raumfüllende Einheit des Tisches den Betrachter in der Galerie an die Wand. Das Experimentierfeld in seiner Gesamtheit zu erfassen stellt sich dabei als Unmöglichkeit heraus. Es ist vielmehr ein Ausschnitt, eine Momentaufnahme aus den zehn gezeigten Projekten. Die reduzierte Information in Form des Projektnamens und Ortes bietet dem Betrachter nur das Wesentliche an. Im Vergleich der ganz unterschiedlich grossen, und in verschiedenen Materialien ausgeführten Modelle, erschliesst sich beispielsweise der Spalt als eigentliches Merkmal des Hotelprojekts Astoria für Luzern: die Gletscherspalte. Da die Reste des Entwurfsprozesses alle gleichberechtigt nebeneinander liegen, wird ihre Massstäblichkeit bedeutungslos. So sind die Reflexionsabfälle weniger Dokumente eines Archivs, als eigenständige skulpturale Objekte, deren Zugehörigkeit nur durch ihre Gruppierung (oder bei einigen über ihren Duft) nachvollziehbar ist. Das Kontinuum der Modelle über die spiegelnde Tischplatte hinweg, veranschaulicht den Übergang vom Einen ins Andere – von Modellen, Hilfsmitteln, Leerformen, Passstücken und Mock-ups von Architekturelementen - oder auch von einem Projekt zum Nächsten. Rohformen für Türgriffe wirken wie Gebäude, Prototypen von Hockern wie Hochhäuser – nichts ist mehr wie es einmal war – wie bei Alice im Wunderland bewegt man sich zwischen den Erdfaltungen und Wölbungen der Sweet-Dreams, die sich zur Bergwand erheben, und der Silicon-Lampe als Tunneleingang.

Welche Präsentationsform die Architekten wählten, ist nicht unwichtig, betrachtet man die Tische als Sockel oder gebaute Struktur. Die Art der Ausstellung visualisiert die Architektur selbst, indem alle Spuren seziererisch offen gelegt werden. Die Materialschau ist deswegen nicht zufällig eine Landschaft mit organischen Erhebungen und urbanen Verdichtungen. Sie sagt auch etwas über die Vorgehensweise der Architekten aus, vergleicht man diese Ausstellung mit früheren, als Herzog & de Meuron vorwiegend visuelle Bilder präsentierten. Heute scheinen die Architekten anstatt spezifische Bilder in Körper zu transformieren, Körper in Bilder umzusetzen und sich zunehmend mit skulpturalen, räumlichen und plastischen Verfahren auseinanderzusetzen, wenn sie aus Baugesetzen ein Volumen bilden oder von bestehenden Körpern Masse abspalten. In ihrer Forschungsarbeit entwickeln sie so Strategien und Konzepte die denjenigen von Künstlern verwandt sind, während die hier vorgeführten Modelle die Arbeits- und Vermittlungsprozesse auf dem Weg zur Architektur einfrieren.

Lilian Pfaff