Martina Gmür (1979 in Münster, Wallis) lebt und arbeitet in Basel und im grenznahen Saint-Louis (F). Seit 2002 stellt sie regelmässig bei STAMPA aus.
Wir begegnen Hundeaugen, einer liegenden Frau, einem Mond, der schmutzigen Sohle eines Fusses – oder Bananen im Sack, diesem „potenten Bild": Vor weiss grundiertem Hintergrund schichten sich die sorgfältig gemalten, gelben Früchte. Darüber liegt in groben Pinselstrichen das feine, wässrige Rot der Tüte. Die gemalte Form setzt sich ab von der weissen Fläche und tritt uns wie ein Objekt entgegen. Der Raum um das Bild wird dabei zum Ort, der die Malerei konstituiert und gleichzeitig von ihr in Anspruch genommen wird.
Die isolierten Objekte und Fragmente, die uns vor einem weissen oder schwarzen Hintergrund entgegentreten, ziehen sich wie ein roter Faden durch Martina Gmürs Arbeit. In ihrer Umkehrung sind es ausgesparte Formen, ausgebohrte oder ausgesägte Löcher im Holz und im Bild. Auch wo Martina Gmür auf durchsichtige Plastikfolien malt oder da, wo sie die auf Holztafeln gemalten Objekte entlang der Umrisslinie aussägt – immer geht es dabei um Konturen, um Linien, die eine Form umgrenzen und körperliche Präsenz behaupten.
Im Zentrum von Ausblick und Grotte steht eine Felsöffnung. Mit diesem durch Fels gerahmten Blick in die Landschaft nimmt Martina Gmür ein bekanntes Motiv der Kunstgeschichte auf. Im Bild Ausblick tritt eine Frau von der Seite aus dem Dunkel des Steins hervor und löst die gezackte Kontur durch die weiche Linie ihres Profils ab. Ihren Blick ins Tal muss sich der Betrachter selbst ausmalen, da er nur auf die gegenüberliegende Felswand sieht. Diese romantisch aufgeladene Darstellung wird kontrastiert durch die Arbeit Grotte, wo wir allein dem ausgesägten Loch begegnen. Durch die Öffnung des Bildträgers wird der Betrachter mit der dahinter liegenden Wand und mit seiner eigenen Position konfrontiert.
Martina Gmür inszeniert in ihren Ausstellungen komplexe Räume, in denen man die Grenzen zwischen Malerei, Skulptur und Installation hinter sich lässt. In Bildern wie Ausblick und Grotte führt sie exemplarisch ihr Spiel mit dem Material, mit Opazität und Durchlässigkeit vor, ihre Freude am Zeigen und Verstecken und am Kreisen um das Bild. Damit berührt sie grundlegende Themen der Malerei und des Bildes, ohne diese aufzudrängen oder ihre Leichtigkeit zu verlieren. Am Malen interessiere sie vor allem das Zeichnen, sagt Martina Gmür, etwas zu zeigen, das wiedererkennbar ist, mit dem Wortschatz einer Art reduzierten Erzählsprache.
Neben anderen Auszeichnungen und Stipendien erhielt Martina Gmür 2007 den Manor-Preis des Kanton Wallis.
März 2010
Text: Eva Nägeli (1982), studiert in Basel Kunstgeschichte.